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Kinder eingewickelt in Watte - Überbehütet oder nur gut versorgt?

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Erziehungsfragen: Überbehütete Kinder und die Folgen
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In den meisten Fällen sind die Eltern völlig sprachlos, sie verstehen nicht was sie falsch gemacht haben sollen. Sie können es auch nicht verstehen, kaum jemand weiß von diesen Gefahren. Ihr Kind sei Überbehütet heißt es. Aber ist es nicht gut ein wenig besser auf seine Sprösslinge zu achten? Nein, eine ganz klare Antwort der Psychologen. Ob ein Kind vernachlässigt oder überbehütet wird, beides kann zu erheblichen Entwicklungsstörungen und einer Menge an Schwierigkeiten im erwachsenen Alter führen.

Von guten und stolzen Eltern

Überbehütete Kinder und die Erwartungen der Eltern  / Bild Nr. 30101405
Überbehütete Kinder und die Erwartungen der Eltern
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Eltern geben sich heutzutage mehr Mühe als jemals zuvor bei der Erziehung und doch steigt die Zahl psychisch erkrankten Kinder weiter an. Sie tun alles für ihre Kleinen, sind immer da und helfen wo sie nur können. Aber genau das ist ein Problem. Kinder können nicht lernen selbst mit Herausforderungen und Problemen umzugehen, wenn ihre Eltern das für sie tun. Ob die Eltern den Schulranzen für ihre Kinder tragen, sie von der Schule abholen oder ihrem Kleinkind den Weg zum Spielzeug ersparen. Sie sprechen mit Lehrern, setzen sie unter Druck und einige holen sich sogar Sprechstunden bei den Dekanen an Universitäten. Das ist viel zu viel des Guten, das artet oft schon in eine regelgerechte Bevormundung der Kinder und besonders der Jugendlichen aus. Die Hilfe ist fast immer gut gemeint, doch genauso oft einfach zu viele. Die Kinder werden nicht selbständig und im späteren Leben haben sie wesentlich weniger Lösungskonzepte für Probleme, als ihre Altersgenossen, denen mehr Entwicklungsfreiheit zugesprochen wurde.

Immer häufiger führt auch der Elternstolz zu Schwierigkeiten. Da werden Kinder zu Statussymbolen erhoben, ganz nach „Mein Haus, mein Auto, mein Kind“. Sie werden als persönliches Projekt gesehen und wenn es nicht läuft, wie geplant, wird eingegriffen. Eltern wollen sich selbst als kompetent erleben, sie wollen glückliche und erfolgreiche Kinder aufzuziehen. Wenn die Kinder dann diesem Bild nicht entsprechen, was ja eigentlich zu erwarten ist, dann sind sie in ihrem Selbststolz gekränkt. Sie versuchen ihre Kinder zu ihren eigenen Zielen zu motivieren, aber genau das ist in jedem Fall der falsche Weg. Kinder müssen sich frei entfalten dürfen.

Lob, Tadel & die Gefahren der Welt

Auch wird den Kleinen heute die Fähigkeit mitfühlend zu sein genommen. Eltern verstecken ihre eigenen schlechten Gefühle. Sie wollen sich vor ihren Kindern nicht verletzlich zeigen. Doch wie sollen Kinder später mit den negativen Seiten des Lebens umgehen, wenn sie diese gar nicht kennen gelernt haben? Wie soll ein Kind Mitgefühl aufbauen, wenn es den eigenen Eltern gegenüber niemals mitfühlend war? Sie können nur dann zu mitfühlenden Menschen heranreifen, wenn sie gelernt haben was Mitgefühl ist. Seine Gefühle vor dem eigenen Kind zu verbergen, bedeutet sein Kind gefühllos zu erziehen. Der vermeintliche Schutz, ist der eigentliche Schaden.

Dazu kommt, dass die Kinder mit Lob und Tadel überhäuft werden. Pass auf, das kannst du noch nicht, das ist viel zu gefährlich, sind typische Aussagen vieler Eltern. Aber andererseits bekommen die Kinder bei jeder Kleinigkeit ein Lob. Im späteren Leben schützt sie aber niemand mehr vor den Gefahren der Welt und gelobt wird auch nur noch sehr selten. Die Kinder brauchen dadurch später eine Menge an Bestätigung, welche sie meist nicht bekommen. Sie brauchen Kollegen die ihnen zuarbeiten und Rückendeckung geben. Freunde die immer da sind und helfen. Meistens bekommen sie wenig davon, sie kommen in eine für sie völlig fremde Welt. Sie werden unglücklich. Es ist im Übrigen erwiesen, dass überbehütete Kinder im Leben eher unglücklicher sind, als Kinder die viele Probleme selbst lösen mussten.

Eltern wollen ihre Kinder natürlich vor den vielen Gefahren in der Welt beschützen, das ist auch gut so. Wenn es dabei um Steckdosen, das Überqueren der Straße oder spitze Gegenstände geht ist das auch notwendig. Es ist immer eine Frage des Alters, es muss angemessen sein. Sobald Kinder dabei in ihrer persönlichen Entfaltung eingeschränkt werden, kann es aber schnell zu viel werden. Wenn Eltern für ihre Kinder Pläne schmieden, sie drängen auf höhere Schulform zu gehen oder sie mit zu vielen Vorschriften versuchen zu reglementieren, rauben sie ihren Kindern damit die Freiheit und die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben.

Ein neue Welt, ein Ort der Konkurrenz

In den ersten Schulwochen müssen die Lehrer den Kindern klar machen, dass hier jetzt nicht 30 Prinzessinnen und Prinzen sitzen. Sie müssen den Kindern ein normales Selbstbild vermittelten und sie auf den Boden der Tatsachen zurückholen. In der Schule steht niemand mehr im Mittelpunkt. Niemand bejubelt ein oder gibt Rückendeckung. In der Schule kommt dann die harte Erkenntnis, sie müssen sich selber schützen. Auf einmal sind sie auf sich allein gestellt, ohne jede Vorbereitung. Die Schule wird so für viele Kinder schon von Anfang an eine kritische Erfahrung.

Der Druck zur Konkurrenz geht dann meist auch mit der Schule so richtig los, die Kinder werden zum konkurrierenden Denken angehalten. Was haben den die anderen Kinder in der Mathearbeit geschrieben und ähnliche Fragen kommen von den Eltern. Sie werden in einen ständigen Vergleich gedrängt. Selbst Sportvereine erkennen das Problem, in manchen Vereinen gibt es mittlerweile Regeln für Eltern. Ihnen wird zum Beispiel untersagt, näher als 1 Meter an den Spielfeldrand zu kommen. Sie setzten durch ihre oft motivierend, aber auch konkurrierend gemeinten Ratschläge die Kinder gehörig unter Druck. Sie beleidigen teils sogar die Schiedsrichter, wenn sie anderer Meinung sind. Das geht alles entschieden zu weit und wenn dann die Beziehung zuhause auch nicht mehr rund läuft, wird es noch schlimmer.

Das Kind, anstatt der Partner

Ein weiteres großes Problem ist es, dass Kinder als Partnerersatz benutzt werden. Denn Beziehungsprobleme führen zu Erziehungsproblemen und Erziehungsprobleme führen zu Beziehungsproblemen. Je mehr Vater oder Mutter jemand ist, desto weniger Partner oder Partnerin ist jemand und umgekehrt. Wenn Beziehungen nicht mehr so richtig laufen, werden oft die Kinder noch mehr in den Mittelpunkt gerückt. Das ist nicht nur schlecht für die Kinder, sondern auch für die Eltern. Sie fallen in ein tiefes Loch, wenn die Kinder selbständiger werden und von zuhause ausziehen. Insbesondere Alleinerziehende die sich zu sehr auf ihre Sprösslinge fokussiert haben, haben dann schwer zu kämpfen. Sie halten ihre Kinder fest und wollen sie am liebsten niemals gehen lassen. Die Italiener haben dieses Problem erkannt, dort versucht man jetzt die erwachsenen Kinder aus dieser Abhängigkeit zu befreien. Eltern die ihre 25-35 jährigen Kinder nicht weiter umsorgen, werden mit einer Geldprämie belohnt.

Fazit: Mehr Freiheit und weniger Regeln

Die Lösung für die Problematik besteht in mehr Freiheit & viel weniger Regeln. Unsere Sprösslinge müssen lernen selbständig zu werden und eine Resilienz, eine Widerstandsfähigkeit aufzubauen. Das können sie aber nur dann, wenn ihre Eltern sie fallen lassen und sie sich von alleine wieder aufrappeln müssen. Kinder brauchen Widerstände, sie dürfen nicht alles bekommen was wollen, sondern müssen selber etwas dafür tun. Wenn ein Kind etwas haben möchte, dann darf man es ihnen nicht einfach geben, sondern sie müssen es sich selbst erarbeiten. Natürlich erst ab einem angemessenen Alter, aber lieber zu früh, als zu spät. Sie müssen lernen dass ihre Eltern nicht immer für sie da sein können und nur sie selbst für sich verantwortlich sind. Insgesamt sollten Kinder möglichst früh, möglichst viele Entscheidungen selbst treffen.

Überbehütete Kinder und deren Eltern – was bedeutet das für die Jugendarbeit

Zutrauen und Selbstvertrauen
Zutrauen und Selbstvertrauen können Kinder nur lernen,
wenn man sie springen lässt. | ©: www.praxis-jugendarbeit.de

Es ist damit zu rechnen, dass es auch in unseren Jugendgruppen viele überbehütete Kinder gibt, wo dann recht schnell die Eltern auf der Matte stehen und sich um alles sorgen, was in unseren Gruppen und auf Ferienlagern alles durchgeführt wird. Aus Sorge dem Kind könnte passieren darf es vielleicht nicht einmal auf einem 5-tägigen Zeltlager teilnehmen, oder falls es regnet wird es nicht in die Jungschar geschickt.

Doch auch die überbehüteten Kinder sind eine Herausforderung. Oft mangelt es denen an Selbstvertrauen, Widerstandsfähigkeit und an Selbständigkeit. Wenn dann so ein Kind oder Jugendlicher auf dem Zeltlager plötzlich mal beim Kartoffelschälen oder Karotten schneiden in der Küche mithelfen muss und so etwas noch nie in seinem Leben hat machen müssen, dann fällt das nicht nur den Jugendleitern auf, sondern ggf. auch den anderen Teilnehmern. Oder bei diversen Angeboten wie eine Nachtwanderung oder ein Geländespiel in der Dunkelheit bekommen diese Kinder es mit der Angst zu tun.

Wie oben beschrieben wurde diesen Kindern bisher alles von den Eltern abgenommen. Die Eltern waren immer um sie herum und haben jedes Problem versucht aus dem Weg zu schaffen, anstatt dem Kind wenigstens die Chance einzuräumen selbst mit dem einen oder anderen Problem fertig zu werden und aus Fehlern zu lernen.

Überwindung, Mut und Zutrauen stärkt das Selbstvertrauen
Überwindung, Mut und Zutrauen stärkt das Selbstvertrauen | ©: www.praxis-jugendarbeit.de

Natürlich wollen Eltern für ihr Kind nur das Beste und haben es auch überaus lieb. Vielleicht kommt noch hinzu, dass die Eltern ihr eigenes Selbstwertgefühl am Erfolg des Kindes festmachen, so dass der Druck noch größer wird. Aber den Druck, den diese Eltern auf die Kinder ausüben macht das Kind krank. Und wenn das Kind kein Kind mehr ist, sondern Jugendlicher, dann wird der Jugendliche anfangen offen zu rebellieren. Hat es sich davor vielleicht nur verweigert, so tritt hier die offene Rebellion zu Tage. Das Desinteresse an Schule, Beruf und Ausbildung wird geäußert und eine Verwahrlosung kann festgestellt werden. Das Kind, der Jugendliche will nicht mehr, traut sich überhaupt nichts mehr zu und erscheint auch in Summe sehr unglücklich.

Es ist gut, wenn wir dies alles auf unseren Ferienlagern im Blick haben und Hinterkopf behalten. Denn nur so können wir diesen Kindern und Jugendlichen helfen, helfen zu mehr Selbstvertrauen und Selbstständigkeit. Wichtig dabei ist: keine Kritik, keine Überforderung, sondern echte Hilfe und Unterstützung und auch Zuspruch, dass das Kind es gut macht. Und wenn die Karotten oder Kartoffeln halt mal anders geschält oder geschnitten sind, dann ist das doch nicht schlimm. Und wenn ein Kind/Jugendlicher eine Aufgabe nicht so gut erledigen kann, oder bei einem Spiel sich ungeschickter anstellt, oder auch Angst zeigt, dann macht das auch nichts. Sondern das Geleistete loben und dem Kind Mut machen.

Wenn die Kids hier einen liebevollen gelassenen Umgang und keine Maßregelungen bzw. Kritik erleben, sondern einen Freiraum, dass sie sich selbst ausprobieren dürfen, hilft das diesen „in Watte gepackten“ Kindern ungemein. Diese Kinder stehen hier nicht mehr allein im Mittelpunkt bzw. unter ständiger Beobachtung und kritischer Beurteilung (der Eltern, aber auch Jugendleiter, Trainer etc.) und können sich hier bei uns auch Fehler leisten.

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  • Ängste/Angststörungen bei Kindern & JugendlichenÄngste/Angststörungen bei Kindern & Jugendlichen

    Bei Kindern und Jugendlichen sind Angststörungen insbesondere im sozialen Bereich zu finden, weniger gegen spezifische Gegenstände, Situationen oder Lebewesen gerichtet. Bei sozialen Angststörungen bzw. Phobien richten sich die Ängste auf Situationen, in denen das Kind bzw. der Jugendliche mit anderen Menschen in Kontakt kommt.


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